Vom Kultur-Optimismus

Ich habe einen neuen Reizbegriff: Kultur-Pessimismus. Der Kultur-Pessimismus beschreibt die diffuse oder konkrete Angst, daß in Bezug auf unser Leben und Zusammenleben etwas grundsätzlich schief läuft.

Das ist ein weites Feld und man findet ja auch tatsächlich eine Menge Dinge, über die man sich Sorgen machen kann. Viele der aktuell beunruhigenden Entwicklungen sind in der zunehmenden Technisierung des Alltags begründet. Wir schauen mehr auf unsere Smartphones als in die Augen anderer Menschen. Wir bestellen immer mehr im Internet und riskieren dabei die Verödung unserer Innenstädte durch das Sterben des Einzelhandels. Wir verbringen immer mehr Zeit mit dem oftmals unkontrollierten Konsum digitaler Inhalte oder “virtueller Realitäten” und erlauben die Ausdünnung kultureller Vielfalt. Gleichzeitig stehen wir den großen Problemen der Welt, wie zum Beispiel dem Klimawandel oder der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich, hilflos – oder gar teilnahmslos – gegenüber.

Gerade mit der zunehmenden Unterwanderung unserer Privatsphäre durch die Sammlung und Auswertung unserer digitalen Fußabdrücke haben wir berechtigterweise (obwohl selbst nicht ganz unbeteiligt oder gar schuldlos) ein Problem.

Die “gute” Nachricht ist allerdings, daß wir in Zukunft mehr Zeit haben werden, um wachsam zu sein. Schon bald werden unsere Autos unsere eigenen Fahrkünste nicht mehr benötigen, unser Haushalt wird ebenfalls komplett automatisiert und unsere Lebensgewohnheiten werden durch fortschreitende künstliche Intelligenz analysiert, vorausberechnet und zunehmend aktiv beeinflusst. Die Grenzen zwischen eigenem Willen und Fremdbestimmung werden mehr und mehr verschwimmen.

Warum bin ich dennoch optimistisch?

Nun, ganz einfach: Ich bin Kultur-Optimist, weil wir als Gesellschaft immer noch die Wahl haben, frei zu entscheiden, wie wir Technologie zur Verbesserung des Lebens vieler Menschen einsetzen wollen. Es liegt auch nur an uns selbst, unseren freien Willen nicht durch Technologie dominieren zu lassen.

Das Internet bietet die Chance der größtmöglichen Meinungsfreiheit, birgt aber auch das Risiko maximaler Kontrolle und Bevormundung. Die Digitalisierung des Alltags erlaubt es uns neue Ausbildungskonzepte einzuführen, die das Bewusstsein für die wirklichen Herausforderungen wie die Armut oder Zerstörung der Umwelt schärfen – wir können uns allerdings auch zu willenlosen Konsumenten degradieren.

Es kommt also darauf an aufmerksam zu bleiben und täglich zu versuchen, den digitalen Wandel zum Nutzen unserer Gesellschaft einzusetzen. Denn machen wir uns nichts vor: Aufzuhalten ist er nicht, und selbst wenn, könnte das nicht unser Interesse sein.

Entscheidend ist, eigene Wertvorstellungen zu haben, diese aktiv zu leben und sie unseren Kindern und Mitmenschen im Dialog zu vermitteln. Oder in den Worten von Bundespräsident Joachim Gauck:

“In unserer Verantwortungsfähigkeit steckt ein Versprechen, das dem Einzelnen wie dieser ganzen Welt gilt: Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt.” (Freiheit – Ein Plädoyer)

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