Bei der Wahl der richtigen weiterführenden Schule für unser Kind fühle zumindest ich mich aktuell ein wenig überfordert.
Zunächst einmal ist ja überhaupt das Gymnasium das Maß aller Dinge, denn ohne Abitur wird man es im Leben nicht weit bringen. So könnte man jedenfalls meinen, wenn man mit einem bitteren Lächeln registriert, wie sich bereits die Eltern von Drittklässlern Sorgen darüber machen, auch ja die “Gymnasiums-Empfehlung“ für Ihren Spross zu erhalten. Da wird dann auch schon mal kräftig beim Lehrer interveniert, wenn sich die Noten nicht in die richtige Richtung entwickeln.
Ich frage mich immer, warum alle Eltern so auf das Gymnasium fixiert sind, Augenscheinlich scheint es, zumindest in der „G8 Pisa-Powerversion“, primär eine Menge Stress mit sich zu bringen. Es sieht so aus, als ob man irgendwie übersehen, hat die Lehrpläne, bzw. den „zu beherrschenden“ Stoff auf die verkürzte Schulzeit hin anzupassen:
Ganztagesunterricht ist die Regel, bei uns im Ort hat man sogar schon die „nullte Stunde“ (morgens von 7.15 – 8.00 Uhr) eingeführt. In der Konsequenz haben die Kinder und Jugendlichen kaum noch Zeit einfach Kind oder jugendlich zu sein. Freizeit ist rar, Vereinsleben zeitlich nicht mehr vertretbar. Treffen mit Freunden (nein, nicht im Chat – ich meine richtige Treffen mit anderen Menschen) sind kaum mehr möglich. Im Resultat sehe ich dann viele Abiturienten die vollgestopft mit Wissen erst einmal vom Lernen die Nase voll haben und einfach mal etwas Zeit für sich beanspruchen. Oftmals verschwinden sie dann für ne Weile nach Fernost oder Australien, Okay – dann ist das durch G8 gewonnene Jahr eben wieder weg.
Was sind die Alternativen?
In Bayern scheint alles besser zu funktionieren, in Hessen gibt es wieder G9, dummerweise wohnen wir aber in Nordrhein-Westfalen. Da haben wir die Wahl zwischen der neuen Sekundarschule (in lokaler Partnerschaft mit einem Gymnasium), der Gesamtschule, dem Auslaufmodell Realschule und der fast schon nicht mehr gesellschaftsfähigen Hauptschule (warum eigentlich?). Alles, soweit ich weiß, bald zunehmend mit der Inklusion Behinderter.
Wenn man dann über die Lehrmethoden, Lehrpläne und Konzepte Fragen stellt, sind die Antworten recht stereotyp: Die schwächeren Kinder werden „abgeholt wo sie sind“ und dann „individuell gefördert“. Dies natürlich nicht, ohne die Potenziale der etwas begabteren Kinder “gleichzeitig voll auszuschöpfen”. Aha. Die Verantwortung dafür, daß das auch alles so klappt, wird in der Regel allein den Lehrerkollegien zugeschoben. Ich frage mich, wie die Lehrer allen Ansprüchen gerecht werden sollen – Sie wissen es wohl oftmals auch nicht. Ich kann sie verstehen.
Dazu kommt noch, daß die Schulen in NRW völlig unterfinanziert sind. Es gibt noch nicht einmal genug Mittel um die Gebäude in Stand zu halten oder regelmäßig zu reinigen. Mir fehlt einfach die Phantasie, mir vorzustellen, daß dieses System beweglich genug- und mit den Materialien und Prozessen ausgestattet ist, um den Kindern und Jugendlichen individuelle Förderung, Kontinuität, und man verzeihe mir die Sentimentalität, so etwas wie Geborgenheit zu bieten.
Gerade da im Rahmen der Digitalisierung unserer Lebensrealität der Informations-Stress stetig zunimmt, sollte Schule einen Gegenpol bilden. Einen Ort des Erfahrens, des Entdeckens und des Erforschens. Einen Ort des Stolzes und der Zugehörigkeit. Schule bereitet vor, auf das Leben, auf das Arbeiten im Beruf oder aber auf das Studieren. Ich halte es für entscheidend, daß Schule soziale Werte vermittelt und Stabilität bietet. Auf reines Wissensvolumen kommt es meiner Überzeugung nach nicht an.
Das Modell ist daher fast zweitrangig. Ich wünsche mir sehr, daß die Bildungspolitik damit aufhört, permanent auf dem Reißbrett neue Schulformen zu erfinden. Entscheiden Sie sich bitte für ein Modell, am besten bundesweit, und ziehen Sie es einfach mal durch bis es wirklich “rund” läuft.